×
1. Problemstellung und Ziel der Versuche 2. Funktionsprinzip eine Radaranlage sowie aufmerksamer Messbetrieb 3. Versuchsaufbau und Versuchsdurchführung 4. Ergebnisse 5. Fazit



RADAR - Messungen

Zuordnungsfehler durch Reflexionsfehlmessungen

  • ForSeMa GmbH
  • Fürbeth&Kollegen
    Ingenieurbüro
    Fürbeth und Kollegen
  • IngBüroRachel
    Ingenieurbüro Rachel
  • Unfallanalyse Dessau
    Unfallanalyse
    Dessau
  • Ingenieurbüro Schubert


Abstract

Die Sachverständigen des iQvmt e.V. informieren über die Wichtigkeit des aufmerksamen Messbetriebes bei Verwendung von Radaranlagen.

Aufgrund der aktuellen Sachlage zur Geschwindigkeitsmessanlage Leivtec XV3 und der damit einhergehenden Bitte des Geräteherstellers, dass die Betreiber mit dieser Anlage derzeit Abstand von amtlichen Messungen nehmen sollen, ist aus unserer Sicht abzusehen, dass es vermehrt zum Einsatz älterer Radaranlagen kommen wird, welche einen aufmerksamen Messbetrieb erfordern.

Bereits im Jahr 2016 hat sich bei durchgeführten Fahrversuchen gezeigt, dass es zu Fehlzuordnungen kommen kann, sofern eine Beobachtung des Fahrverkehrs an einer Messstelle im Rahmen eines aufmerksamen Messbetriebes nicht gewährleistet ist.

In seltenen Fällen kann zwar über eine Bildauswertung zum Smear-Effekt eine Aussage darüber getroffen werden, ob ein abgebildetes Fahrzeug messwertauslösend war - eine nachträgliche Bildauswertung kann aber den ausmerksamen Messbetrieb nicht ersetzten. Letztendlich ist eine Geschwindigkeitsmessung mittels älterer Radartechnik aus technischer Sicht nur dann verwertbar, wenn sichergestellt ist, dass der Messbetrieb aufmerksam durchgeführt wurde.

Stand 21.03.2021

☰ Inhalt

1. Problemstellung und Ziel der Versuche

Im Rahmen der Erstellung von Sachverständigengutachten kommt häufig die Frage auf, ob das im Bild ersichtliche Fahrzeug, welches sich im Auswertebereich befindet, die Geschwindigkeitsmessung hervorgerufen hat oder nicht.

Zu beachten sind hierbei insbesondere mögliche Reflexionserscheinungen, bei denen die Radarstrahlung sowohl in Richtung des Gegenverkehrs als auch in eine beliebige Richtung reflektiert wird.

Im Rahmen eines Gutachtenauftrags war die folgende, im Messprotokoll abgebildete, Messsituation zu prüfen. Hierbei erscheint die Durchführung des aufmerksamen Messbetriebs fraglich. Die erforderliche Sicht des Messpersonals aus dem Messfahrzeug heraus auf den überwachten Streckenabschnitt ist durch eine Mauer verdeckt. Es galt zu beantworten, ob ein stehendes oder mit bis zu 20 km/h linksabbiegendes Fahrzeug das eigentlich Messwertauslösende auf der rechts daneben befindlichen Fahrspur verdecken könnte.

Skizze zum Messaufbau Traffipax Speedophot mit Möglichkeit einer Fehlzuordnung durch Sichtverdeckung
Abbildung 1: Skizze zum Messaufbau gemäß Messprotokoll

Konkret galt es zu untersuchen, ob ein Transporter oder Kleinbus sich in Abbiegeposition zum Wohngebiet in der Linksabbiegerfahrspur befunden haben kann, wenngleich ein weiteres Fahrzeug den Messbereich in der Geradeausfahrspur und somit rechts vorbeifahrend passiert.


☰ Inhalt

2. Funktionsweise der Messwertgewinnung

Verkehrsradaranlagen, welche einen aufmerksamen Messbetrieb erfordern, werden als mobile Anlagen eingesetzt. Diese können sowohl auf einem Stativ, im Fahrzeug oder in einem speziellen Container verwendet werden. Die nachstehenden Abbildungen zeigen die Traffipax Speedophot Anlage mit ihren Komponenten in verschiedenen Einsatzweisen.

Abbildung 2: Speedophot Komponenten und Einsatzweisen

Die Geschwindigkeit der zu überwachenden Fahrzeuge wird mit einem gebündelten Radarstrahl nach dem Dopplerprinzip gemessen.

Die Messung der Fahrzeuge kann dabei sowohl vom linken Fahrbahnrand als auch, in Fahrtrichtung gesehen, von rechts erfolgen. Der Begriff Radar stammt aus dem Englischen und bedeutet Radio Detection and Ranging. Zur Aussendung der Radarstrahlung dient eine Antenne, welche gleichzeitig als Sender sowie Empfänger fungiert. Das vorbeifahrende Fahrzeug stellt dabei den Reflektor für die Radarstrahlung dar.

Die vom Fahrzeug oder ortsfesten Gegenständen reflektierte Radarstrahlung wird von der Antenne empfangen. Durch eine Frequenzanalyse von ausgesandter und phasenverschobener reflektierter Radarstrahlung wird die Bewegungsrichtung des Fahrzeuges als auch dessen gefahrene Geschwindigkeit ermittelt.
Grundsätzlich sind Radaranlagen unter den seitens der Gebrauchsanweisung erforderlichen Winkelstellungen zu betreiben. Diese sind je nach Anlage unterschiedlich.
Neben der korrekten Wahl des Aufstellortes, d. h. dem erforderlichen Freiraum vor der Radarantenne als auch hinsichtlich der Gewährleistung einer freien Radarstrahlausbreitung, kommt dem aufmerksamen Messbetrieb eine enorme Bedeutung zu.
Die Messstelle ist bezüglich ihrer Knickstrahlanfälligkeit zu überprüfen. Knickstrahlreflexionen können bevorzugt auftreten, wenn der Radarstrahl gemäß dem Prinzip Einfallswinkel = Ausfallswinkel auf homogene ebene Flächen trifft, wobei hier insbesondere Metallflächen zu nennen sind.
Derartige Konstellationen sind in den Beweisbilddokumenten sichtbar. Bei Auswertung der Beweisfotos können Knickstrahlreflexionsmessungen unter Umständen / in Einzelfällen sachverständigenseits erkannt werden.

Eine weitere Möglichkeit der Reflexion der Radarstrahlung stellt sich über großflächige Fahrzeugfronten in Richtung des Gegenverkehrs dar. In derartigen Fällen kann es sich bei sehr langsam fahrenden Fahrzeugen (Schleichfahrt mit weniger als 20 km/h) dazu kommen, dass die Geschwindigkeitsmessung des im Gegenverkehr befindlichen Fahrzeuges über eine Reflexion an der homogenen Fahrzeugfront des eigentlich im Bild ersichtlichen Fahrzeuges stattfindet.
In einem solchen Fall wäre dann eine Fehlzuordnung darstellbar, die nur über den aufmerksamen Messbetrieb ausgeschlossen werden kann.
Der Grund ist unter anderem darin zu sehen, dass z.B. bei der Verkehrsradaranlage TraffiPax Speedophot Geschwindigkeiten unter 20 km/h technisch nicht erfasst werden können und damit eine automatische Annullation der Messung nicht zu erwarten ist.


☰ Inhalt

3. Versuchsaufbau und Versuchsdurchführung

Die nachfolgende Luftbildaufnahme verdeutlicht die Prüfstrecke. Für die Ausrichtung des Radarfahrzeuges wurden in dem gesperrten Streckenabschnitt Farbmarkierungen aufgebracht, sodass eine korrekte Ausrichtung der Radaranlage (hier unter 20°) erfolgen konnte.

Luftbild der Versuchsanordnung zur Identifikation messtechnisch möglicher Reflexionsfehlmessungen bzw. Zuordnungsfehler
Abbildung 3: Luftbildaufnahme der Versuchsanordnung

Es wurden Fahrspuren simuliert, sodass die Fahrzeuge fahrbahnlängsachsenparallel bewegt werden konnten. Die Radaranlage befindet sich als Frontmesseinbau in dem abgebildeten blauen Pkw Škoda Roomster.
Für die Nachstellung einer Situation, in dem der VW T5 Transporter nach links abbiegt, wurde dieser gemäß der folgenden Abbildung auf der Prüfstrecke abgestellt.

Ansicht der Versuchsanordnung Traffipax Speedophot in Fahrtrichtung
Abbildung 4: Versuchsanordnung in Fahrtrichtung

Durch Variationen der Abstellpositionen des VW T5 konnten verschiedene Konstellationen bezüglich der Abbildung des messwertauslösenden Fahrzeuges (Audi A6) dargestellt werden. Die nachfolgende Abbildung 5 verdeutlicht die Sicht der Kamera der Radaranlage auf die Messkonstellation.

Ansicht der Versuchsanordnung in Radar-Richtung der Traffipax Speedophot und Fotorichtung
Abbildung 5: Versuchsanordnung Sichtrichtung Radar- und Fotorichtung

Die Fahrt des messwertauslösenden Fahrzeuges zeigt nachfolgendes Video. Der Skoda Roomster mit der eingesetzten Gerätetechnik ist dabei während der Vorbeifahrt linksseitig am Fahrbahnrand positioniert ersichtlich. Die Messstelle war für herkömmlichen Fahrverkehr gesperrt.

Abbildung 6: Video einer typischen Versuchsfahrt

☰ Inhalt

4. Ergebnisse

Die nachfolgenden Fotodokumentationen der TraffiPax Speedophot Radaranlage verdeutlichen die Messung des Pkw Audi A6, welcher rechtsseitig den abgestellten VW T5 passiert.

Position nah für den Versuch zur Reflexionsfehlmessung mit Traffipax speedophot iQvmt
Abbildung 7: Stillstandsposition des abbiegebereiten VW T5 in Nahposition
Position 2 für den Versuch zur Reflexionsfehlmessung mit Traffipax speedophot iQvmt
Abbildung 8:
Reflexionsfehlmessung mit Traffipax speedophot bzw. Fehlzuordnung iQvmt
Abbildung 9: messwertauslösendes Fahrzeug voll verdeckt
Reflexionsfehlmessung mit Traffipax speedophot bzw. Fehlzuordnung iQvmt
Abbildung 10: messwertauslösendes Fahrzeug voll verdeckt
Position fern für den Versuch zur Reflexionsfehlmessung mit Traffipax speedophot iQvmt
Abbildung 11:
Position fern 2 für den Versuch zur Reflexionsfehlmessung mit Traffipax speedophot iQvmt
Abbildung 12: Stillstandsposition des abbiegebereiten VW T5 in Fernposition

Zunächst wird deutlich, dass Teile der Fahrzeugfront des Audi A6 im Registrierlichtbild (Abbildung 7) erkennbar sind. Bezüglich des Auswertebereiches ist dabei auf die Markierungen am oberen sowie unteren Bildrand zu achten. Für die hier vorliegende Rechtsmessung ist der Bereich des sich an die Bildmitte angrenzenden linken Viertels relevant, d.h. der Bereich zwischen der bildmittigen sowie links im Bild ersichtlichen Markierung. Dieser Bereich wurde in den Abbildungen gelb gekennzeichnet.

Versetzt man den VW Transporter kontinuierlich zurück, so erhält man letztendlich Konstellationen bei denen das messwertauslösende Fahrzeug vollständig von dem im Bildvordergrund ersichtlichen und stehenden VW Transporter verdeckt wird (Abbildungen 9 und 10). In solchen Fällen könnte der VW Transporter ein stehendes Fahrzeug (zum Beispiel einen „Linksabbieger“) oder ein bis zu 20 km/h langsam fahrendes Fahrzeug darstellen.
Es käme in einem solchen Fall bei der Auswertung zu einer Fehlzuordnung, falls der aufmerksame Messbetrieb oder eine nachgeschaltete Smear-Effekt-Auswertung nicht durchgeführt wird.
Bereits an der Messörtlichkeit und somit während des Messeinsatzes hat das Messpersonal eine derartige Situation zu erkennen und zu protokollieren.

Verschärfend zeigt sich diese Situation dann, wenn zwei Fahrzeuge in Richtung der ausgesandten Radarstrahlung vor dem zu messenden Pkw (hier Audi A6) positioniert sind. Ein derartiger Fall ist im nachfolgenden Bild beispielhaft veranschaulicht.

Versuch zur Reflexionsfehlmessung mit Traffipax speedophot mit zwei Fahrzeugen als Barriere iQvmt
Abbildung 13:

Sowohl der Pkw Ford Mondeo als auch der VW T5 befinden sich im Stillstand. Das messwertauslösende Fahrzeug fährt wiederum beifahrerseitig vorbei. Es findet in diesem Fall keine Knickstrahlflexion an den Fahrerseiten der abgebildeten Fahrzeuge statt, sondern augenscheinlich eine Reflexion über die Fahrbahn in Richtung des ankommenden Fahrzeuges.


☰ Inhalt

5. Fazit

Die Sachverständigen des Instituts für Qualitätssicherung in der Verkehrsmesstechnik appellieren nochmals an die Einhaltung des aufmerksamen Messbetriebs, welcher in den Gebrauchsanweisungen der jeweiligen Radarmessgeräte konkret verankert ist.

Nicht zuletzt wird seitens der Gerätehersteller auf diese Problematik auch in entsprechenden Schreiben an Gerichte und Sachverständige hingewiesen.
Es liegt z. B. ein Schreiben des Herstellers Jenoptik vor, in welchem ausgeführt ist, dass jede einzelne Messung auf Plausibilität hin zu kontrollieren ist. Variationen im Messumfeld seien zu registrieren und im Falle von Veränderungen habe das Messpersonal die richtigen Schlüsse für den weiteren Messbetrieb zu ziehen.

Die Gebrauchsanweisung sei dabei nicht nur als einfache Bedienungs- und Handhabungsempfehlung zu verstehen, sondern müsse strikt zur Kenntnis genommen und somit auch eingehalten werden.

Es könne daraus nur die eindeutige Schlussfolgerung resultieren, dass Geschwindigkeitsübertretungen, welche nicht aufmerksam beobachtet wurden, für eine spätere Ahndung nicht herangezogen werden dürfen.

An dieser Stelle sei somit nochmals an die Einhaltung des aufmerksamen Messbetriebes auch unter Berücksichtigung der dargestellten Fallbeispiele appelliert.


Wenn Sie zukünftig die neuesten technischen Informationen automatisch erhalten möchten, können Sie sich nachfolgend für einen Newsletter anmelden.

  • iQvmt Mail
  • IWvmt Telefon
  • iQvmt Fax
  • vorstand@iqvmt.de
  • +49 (0) 345 686 77 00
  • +49 (0) 345 686 77 029

    Institut für Qualitätssicherung in der Verkehrsmesstechnik e.V.


    Rathausstraße 13
    D - 06108 Halle (Saale)

    Copyright © iQvmt e.V.

  • iQvmt nextcloud
  • iQvmt Mail