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1. Grund und Ziel der Untersuchungen 2. Funktionsweise der Messwertgewinnung 3. Die Beweismittel 4. Methodenansatz 5. Versuchstechnik / Messtechnik 6. Versuchsauswertung 7. Toleranzdiskussion im sachverständigen Prüfprozess 8. Fazit



Leivtec XV3

Verwendung der Bildabstandszeit in forensischen Gutachten

  • ForSeMa GmbH
  • Dipl-Ing. (FH) K. Matzen
    Dr.-Ing. D. Matzen
    Dipl.-Ing. (FH) M. Haubold

  • Fürbeth&Kollegen
    Ingenieurbüro
    Fürbeth und Kollegen
  • B.Sc. M. Wenderoth
    Dipl.-Ing. (FH) T. Bock

  • IngBüroRachel
    Ingenieurbüro Rachel
  • Dipl.-Ing. (FH) L. Rachel

  • Unfallanalyse Dessau
    Unfallanalyse
    Dessau
  • Dipl.-Ing. (FH) F. Wigrim

  • Ingenieurbüro Schubert
  • Dipl.-Ing. (FH) T. Schubert



Abstract

Beim Messsystem Leivtec XV3 stehen Beweismittel zur Verfügung, die in Abhängigkeit von der Bildgestaltung eine objektive Beweisführung zur Korrektheit einer konkreten Messung durch Sachverständige ermöglichen, insofern diese über entsprechend validierte Methoden verfügen.

Das Leivtec XV3 realisiert im Falle einer festgestellten Überschreitung eingestellter Grenzwerte eine Doppelfotografie. Bei dieser wird die Position des gemessenen Fahrzeuges zu Beginn und Abschlusses der Messung fotografisch dokumentiert. Die beiden Beweisbilder werden mit weiteren Zusatzdaten in einer digital signierten und proprietär verschlüsselten Datei gespeichert.

Die Zeitpunkte der Fotofertigung werden gespeichert und ebenfalls in der Falldatei zur Verfügung gestellt. Über diese Zeitstempel kann die Zeit, welche zwischen den Fertigungszeitpunkten der beiden Beweisbilder verstrichen ist, berechnet werden und steht für eine sachverständige Auswertung zur Verfügung. Da es sich hierbei um Zusatzdaten handelt, welche weder Zulassungs-, noch Eichrelevanz haben, kann nicht vorausgesetzt werden, dass die Korrektheit und Zuverlässigkeit dieser Zeitangabe seitens der Zulassungsbehörde PTB geprüft wurde.

Zum Nachweis der Verwertbarkeit im forensischen Nachweisprozess wurden unabhängige Messungen und Prüfungen vom iQvmt e.V. hinsichtlich der anzusetzenden Toleranzen vorgenommen.

Im Ergebnis ist zu konstatieren, dass die von der Messanlage Leivtec XV3 abgespeicherten Bildzeitstempel mit Bezug auf die ermittelbare Bildabstandszeit forensisch verwertet werden können.
Im Rahmen einer forensischen Verwertung der Bildabstandszeit sollte aus messtechnischer Sicht eine pauschale Mindesttoleranz von ±0,01 s bzw. ±0,02 s als Größtfehlerabschätzung berücksichtigt und dargelegt werden.

Die Güte einer technischen Einzelfallprüfung hängt nunmehr maßgeblich von der Methodik der Bildauswertung zum Wegfortschritt ab, weshalb für die juristische Bewertung explizit die Validität des Bildauswerteprozesses und die erforderlichen Toleranzen darzulegen sind.

Stand 25.01.2021

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1. Ziel der Untersuchungen

Amtlichen Verkehrsüberwachungsmaßnahmen folgen regelmäßig Einsprüche gegen verhängte Sanktionen, in deren Folge die formale Ordnungsgemäßheit und messtechnische Korrektheit nachgewiesen werden soll.

Dafür kann es zu einer privaten oder gerichtlichen Beauftragung eines Sachverständigen kommen, der sachgemäß die tatsächliche Geschwindigkeit des betreffenden Fahrzeugs im Bereich der Messwertbildung auswerten muss. Neben dem Ergebnis und der Prüfmethodik sind gleichsam die resultierenden Toleranzen von Bedeutung.

Eine gültige Messung wird beim Messgerät Leivtec XV3 mit einer Falldatei dokumentiert. Im Regelfall enthält diese je ein Beweisbild zu Start und Ende der Messung, entsprechend sind zwei unterschiedliche Fotopositionen des auslösenden Objekts gesichert. Zusätzlich werden Zwischenergebnisse der internen Messwertberechnung gespeichert, wohingegen die einzelnen gebildeten Weg-Zeit-Datenpunkte in der mittlerweile eingesetzten Softwareversion nicht mehr greifbar sind.

Ziel der wissenschaftlichen Untersuchungen war es, die interne Zeitbestimmung auf Ihre Zuverlässigkeit und möglicher Toleranz hin zu prüfen, um eine valide Methodik zur sachverständigen Bestimmung der gefahrenen Geschwindigkeit mit einhergehenden Toleranzen zu entwickeln. Die nachstehenden Ausführungen gehen dabei explizit auf die forensische Nutzbarkeit der Bildabstandszeit ein, die neben der Fotodokumenation eine zentrale Rolle für die Korrektheit einer forensischen Prüfung einer XV3-Messung spielt.


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2. Funktionsweise der Messwertgewinnung

Die Messanlage Leivtec XV3 ist eine mobile vollelektronische Messanlage zur Bestimmung der Geschwindigkeiten von Fahrzeugen im Straßenverkehr, die überwiegend im Stativbetrieb, aber auch als handgeführtes Gerät zum Einsatz kommt. Die Zulassungsbehörde PTB hat diesen Bautyp im Jahr 2009 geprüft und zur Eichung zugelassen, was als Voraussetzung für den Einsatz zur amtlichen Verkehrsüberwachung gilt.

Zur Bestimmung der Geschwindigkeit ist die Messanlage seitlich der Fahrbahn aufzustellen und mit der Sensorik und der gleichgerichteten Fototechnik auf die ankommenden Fahrzeuge auszurichten.
Die Anlage sendet über eine mechanisch fest ausgerichtete Optik Lichtimpulse im nicht sichtbaren Spektrum aus. Diese Lichtpulse treffen auf die Strukturen des Fahrzeuges und werden dort in unterschiedlichen Intensitäten und Richtungen reflektiert. Die Messanlage detektiert über eine zweite ebenfalls mechanisch fixiert ausgerichtete Optik diese Reflexsignale, wobei die Zeit zwischen dem ausgesandten und dem empfangenen Lichtimpuls gemessen und unter Ansatz der Lichtgeschwindigkeit im Medium Luft in einen Abstand umgerechnet wird.
Die Anlage wiederholt diese Primärmessungen in einer zeitlich konstanten Periode von 0,01 s und zeichnet damit idealerweise das Weg-Zeit-Verhalten des Fahrzeuges, bezogen auf dessen Front, auf.

Über eine statistische Auswertung wird aus diesen Daten eine mittlere Geschwindigkeit berechnet und anhand der Streuparameter die messtechnische Zuverlässigkeit und damit die Gültigkeit der Messung geprüft.


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3. Die Beweismittel

Die Messanlage Leivtec XV3 liefert hinsichtlich einer objektiven sachverständigen Nachweisführung gute Beweismittel. Insbesondere realisiert der Hersteller bei diesem Anlagentyp eine Doppelfotografie, bei der das gemessene Fahrzeug bei Start und Ende der Messung fotografisch dokumentiert wird. Dabei wird das Bild, welches am Ende der Messung und damit bei geringster Entfernung gefertigt wird, mit der Vollauflösung und das Startbild mit der halben Auflöung gespeichert. Beide Beweisbilder werden für die Beweisdatei derart zusammengefasst, dass am unteren Rand des Ende-Bildes das Anfangsbild vertikal hälftig angefügt wird (siehe Abbildung 1).

Speicherweise der Beweisbilder
Abbildung 1: Speicherweise der Bilder
Zusatzdaten
Abbildung 2: Zusatzdaten in der Beweisdatei

In der Softwareversion 1.0 wurden in der Beweisdatei sämtliche im Erfassungszeitraum einer Fahrzeugmessung ermittelten Primärmesswerte, also die ermittelten 100 Abstandswerte je Sekunde, sowie im selben Zeitraster die Reflexionsstärke des konkreten Messobjektes gespeichert (siehe Abbildung 2).

Noch vor der Einführung des MessEG im Jahr 2015 wurde eine Version 2.0 zugelassen, mit der diese Daten nicht mehr gespeichert werden.
Im Einvernehmen mit den Ausführungen der Zulassungsbehörde PTB könnte eine konkrete Messung im sachverständigen Prüfprozess zwar besser nachvollzogen werden – jedoch ist die Aussagekraft einer nachträglichen Auswertung dieser Daten als alleinige Beweisführung kritisch zu diskutieren. Dies gilt insbesondere, da die einzelnen Vorverarbeitungsschritte unbekannt sind und die Zusammenhänge mit nunmehr auch durch die iQvmt e.V. aufgezeigten Messfehler noch nie untersucht und/oder veröffentlicht wurden.

In der derzeit aktuellen Fassung 2.0 der Anlagensoftware verbleiben den Sachverständigen neben den beiden Beweisbildern die nachfolgenden Zusatzdaten für den erforderlichen technischen Nachweis:

  • Tattag und Tatuhrzeit
  • Grenzwerte Geschwindigkeitslimit
  • Gemessene Geschwindigkeit
  • Gemessene Geschwindigkeit vor Abrundung
  • Messung-Start-Distanz
  • Messung-Ende-Distanz
  • Auswerte-Start-Distanz
  • Auswerte-Ende-Distanz
  • Auswertestrecke
  • Auswertezeit
  • Zeitstempel für die Auslösung des Messung-Start-Bildes
  • Zeitstempel für die Auslösung des Messung-Ende-Bildes
Daten in den Beweisdateien
Abbildung 3: Anzeige der Zusatzdaten mit dem SpeedCheck-Viewer des Herstellers

Eingeschränkt können über den Bildbetrachter für Gutachter des Herstellers oder über alternative Software die Zusatzdaten angezeigt werden.


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4. Methodenansatz

Die Messanlage speichert je gültigem Messvorgang im Regelfall zwei Beweisfotos, die den Wegbereich zur Messwertbestimmung einschließen. Die in den Zusatzdaten ausgewiesenen Objekt-Distanzen bei Messbeginn und Messende sind jedoch den fotografisch dokumentierten Fahrzeugpositionen nicht zuzuordnen.

Im sachverständigen Prüfprozess kann anhand der beiden Beweisbilder der zwischenzeitliche Wegfortschritt photogrammetrisch ermittelt werden. Die Praxis zeigt hier ein breites Spektrum an Arbeitsweisen und Methoden auf, weshalb auch diesbezüglich explizite Untersuchungen vorgenommen wurden. Auf diese notwendige Bildauswertung soll in dieser Ausarbeitung jedoch nicht näher eingegangen werden.

Die Messanlage speichert die Zeitpunkte der beiden Fotoauslösungen, womit den Sachverständigen die Zeitdifferenz zur Verfügung steht. Anhand der systemisch bemessenen Zeit und einem photogrammetrisch nachermittelten Wegfortschritt kann die durchschnittliche Bewegungsgeschwindigkeit des gemessenen Objektes als Vergleichswert bestimmt und dem amtlichen Messwert gegenübergestellt und technisch bewertet werden.

Dieses Verfahren ist unmittelbar abhängig von der Korrektheit der systemisch ausgewiesenen Zeitstempel. Unsicherheiten bei der angesetzten Zeitdifferenz wirken sich direkt auf die forensiche Geschwindigkeitsermittlung aus.

Ob im Rahmen der Zulassungsprüfungen diesbezügliche Untersuchungen seitens der PTB vorgenommen wurden, ist hier bisher nicht bekannt. Da sich die Zulassung im Kern auf die Korrektheit der Messgröße, hier der Geschwindigkeit, bezieht, kann nicht zwingend auch von der Korrektheit einer gespeicherten Nebengröße, die für den amtlichen Messwert keine Relevanz hat, ausgegangen werden.

Insofern waren technische Untersuchungen an einer gültig geeichten Messanlage Leivtec XV3 angezeigt, inwiefern die anhand der Fotozeitpunkte berechenbare Bildabstandszeit hinreichend zuverlässig und messtechnisch verwertbar ist. Insbesondere war zu bestimmen, welche Toleranzen gegebenenfalls im sachverständigen Prüfprozess ggf. anzuwenden sind.

Diese Versuche wurden im August 2020 durchgeführt und anschließend ausgewertet.


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5. Versuchstechnik / Messtechnik

Für die Versuche wurde eine gültig geeichte und damit zum Zulassungsmuster identische Messanlage eingesetzt, weshalb für die externe Bestimmung der Bildabstandszeit bzw. der Fotozeitpunkte keine öffentlich zugänglichen Schnittstellen zur Verfügung standen.

Zudem wäre mit solchen Schnittstellen wiederum fraglich, inwiefern dabei ein Zeitverzug zu berücksichtigen wäre.

Um diesbezügliche messtechnische Unsicherheiten zu umgehen, war es somit notwendig, ein Zeitnormal bzw. eine externe Zeitmessung zu realisieren und diese in den Bilddaten der beiden Beweisbilder verfügbar zu machen.

Da die Bildabstandszeit mit einer Auflösung von 10 ms ermittelt werden kann, war zur Validierung eine höhere Auflösung notwendig, um insbesondere Digitalisierungseffekte („Aliasing“) bei der Bildfertigung und Zeiteinblendung erfassen und berücksichtigen zu können.

Seitens der ForSeMa GmbH wurden Messuhren mit einer quarz-gesicherten Auflösung von 1 ms (0,001 s) in der Darstellung entwickelt und angefertigt, die sich zusätzlich zum Zeitnormal der PTB (DCF 77) synchronisieren konnten.

Messuhr
Abbildung 4: Entwicklung und Fertigung der Messuhren
Messuhren im Testfeld:

Die Messuhren wurden in dem Entfernungsbereich aufgestellt und ausgerichtet, in dem auch die Fahrzeugerfassung und damit die Fertigung der beiden Beweisbilder stattgefunden hat.

Alphanumerisch ist die DCF-synchrone Uhrzeit mit Stunden, Minuten und Sekunden ausgewiesen. In Form von vertikalen grafischen Balken sind, von links nach rechts, die Zehntel-, die Hunderstel- und Tausendstelsekunden dargestellt.

Am unter Rand der Anzeige befinden sich 16 LED, die jeweils für 1 ms als Laufband von links nach rechts aufleuchten. An dieser Anzeige kann die Belichtungsdauer eines Bildes bzw. ein Wechsel der Gesamtanzeige während der Bildfertigung nachvollzogen werden.

Abbildung 5: Video zur Darstellung der Messuhren im Bedienbildschirm

Die Größe der Anzeigen wurde der reduzierten Bildauflösung der gespeicherten Messung-Start-Bilder angepasst, um hier eine eineindeutige Lesbarkeit zu gewährleisten.

Bildbeispiel zur Lesbarkeit der Messuhren in den beiden Beweisbildern
Abbildung 6: Bildbeispiel zur Lesbarkeit der Messuhren in den beiden Beweisbildern
Bedienbildschirm XV3

Das Video zeigt eine Live-Ansicht des Bedienbildschirms der Messanlage XV3 mit abgebildeten Messuhren.

Im Bildbereich der Anzeigen der Messuhren sind Aliasing-Effekte erkennbar, die auf eine Bildfrequenz von 15 Hz der Videovorschau der Messanlage zurückzuführen sind.

Abbildung 7: Video zur Darstellung der Messuhren im Bedienbildschirm

Obwohl bzw. weil eine vollständige Neudarstellung aller Anzeigeregister lediglich 5 ns (0,000 005 ms) in Anspruch nimmt, konnte nicht ausgeschlossen werden, dass eine Umschaltung innerhalb der Lichtbildfertigung mit einer minimalen Belichtungsdauer der XV3 von 1 ms erfolgt und die Anzeigeregister nicht eineindeutig abgelesen werden können.
Insofern wurden die Stunden, Minuten und Sekunden über übliche nummerische Anzeigen zur Darstellung gebracht. Für die Nachkommastellen wurde jeweils eine vertikale Balkendarstellung realisiert.

Über ein zusätzliches Laufband unterhalb der Zeitdarstellung, bei dem jedes Leuchtmittel nur 1 ms aufleuchtet, konnte ein Registerwechsel während der Lichtbildfertigung identifiziert und bei der Auswertung der Zeitanzeigen über die zeitgleich gemessene Belichtungszeit berücksichtigt werden.

Um hier zu zweifelsfreien Ergebnissen auch im Einzelfall zu gelangen, wurden zwei Messuhren eingesetzt, die bewusst nicht im Gleichtakt arbeiteten und dafür mit einer kontrollierten, messtechnisch unwesentlichen Drift ausgestattet wurden.

Die Messuhren wurden derart im Messfeld platziert und ausgerichtet, dass in beiden Beweisbildern eine uneingeschränkte Sichtbarkeit gewährleistet war.


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6. Versuchsauswertung

Insgesamt wurden 440 Versuchsfahrten mit jeweils zwei externen Zeitmessungen ausgewertet. Die Zeitanzeigen in den Beweisbildern wurden manuell abgelesen und statistisch ausgewertet. Anhand der seitens der Messanlage jeweils abgelegten Fotozeitpunkte wurde die Bildabstandszeit redundant bestimmt.
Die Differenz zwischen den extern gemessenen Zeiteinzelwerten und den systemisch im Messgerät ermittelten Bildabstandszeiten war hinsichtlich der betragsmäßigen Verteilung auszuwerten.

Um die Verwertbarkeit der Messungen technisch einzuschätzen, insbesondere den Fehler der manuellen Ablesung der abgelichteten Messuhren sowie der unvermeidbaren Abweichungen infolge von Aliasing bei der Bildfertigung, wurde geprüft, ob Unterschiede in den Auswertungen der beiden Messuhren vorliegen. Die nachfolgende Histogrammdarstellung weist die Unterschiede in den berechneten Abweichungen zur Bildabstandszeit beider Messuhren aus.

Diagramm der Messfehlerverteilung
Abbildung 8:

Es zeigten sich hier Abweichungen bis ±1 ms. Ein solcher Wert ist hinsichtlich der Genauigkeit der systemisch dokumentierten Bildabstandszeit von ±10 ms akzeptabel und vor dem Hintergrund der realisierbaren minimalen Belichtungszeiten der Messanlage XV3 von 1 bis 2 ms zur Dokumentation der Messuhren technisch unvermeidbar. Die symmetrische Verteilung um Null lässt systematische Fehler und signifikante zufällige Fehler ausschließen.
Damit konnten in den Messreihen keine technischen Merkmale festgestellt werden, die gegen eine weitere statistische Auswertung und Verwertbarkeit stehen könnten.
Aus der dargestellten Verteilung geht ein Messfehler von ±1 ms hervor, womit auch die Eignung der realisierten Versuchsanordnung und Durchführung messtechnisch bestätigt wird.

Die nachfolgende Diagrammdarstellung weist die empirisch ermittelten Differenzen zwischen der systemisch bestimmten und der extern gemessenen Bildabstandszeit für jede Versuchsfahrt aus. Es hat sich gezeigt, dass keine Abweichungen außerhalb eines Bereiches von ±10 ms auftraten. Weiterhin ist erkennbar, dass die Verteilung über alle Messungen ohne erkennbare Struktur/Tendenz und damit statistisch zufällig ausgefallen ist.

Diagramm der Messfehler
Abbildung 9:

Der empirische Mittelwert über alle Differenzen ergab sich zu 0,32 ms. Ein solcher Wert ist bei einer festgestellten Messgenauigkeit des Gesamtaufbaus von ±1 ms technisch akzeptabel. Hierbei bestehen ebenfalls keine Merkmale eines unbegründbaren systematischen Fehlers im Gesamtmessaufbau.

Die nachfolgende Diagrammdarstellung (Abbildung 10) zeigt eine auf die Gesamtanzahl der Messungen normierte Häufigkeitsverteilung (Kreuzmarkierung) der ermittelten Differenzen zwischen der systemisch dokumentierten Bildabstandszeit und den extern ermittelten Bildabstandszeiten mit einer Intervallgröße von 1 ms.
Die durchgezogene Linie weist den polynomischen Trend zur besseren Visualisierung aus.

Histogramm Abweichungen der Bildabstandszeit
Abbildung 10:

Da die Messanlage die Fotozeitpunkte und damit die Bildabstandszeit lediglich mit einer Genauigkeit von 10 ms dokumentiert, sind von Vornherein Abweichungen zu den externen Zeitmessungen von ebenfalls bis ±10 ms begründbar. Bei der Verteilung der Abweichungen sollte auf der Grundlage empirischer Versuche eine Normalverteilung zwischen –10 ms und +10 ms erwartet werden.
Die obige Diagrammdarstellung (Abbildung 10) wurde daher um eine Normalverteilung mit einer Standardabweichung von 4,5 ms (tatsächlicher Wert der Daten 4,2 ms) skaliert als Strichlinie aufgetragen. Im visuellen Vergleich zeigt sich eine für hiesige Zwecke ausreichende Ähnlichkeit. Diese Ähnlichkeit wurde zudem über statistsiche Methoden geprüft, ob eine Normalverteilung vorliegt. Dafür wurden der Kolmogorov-Smirnov-Test sowie der Shapiro-Wilk-Test verwendet. Letztere wird von der PTB (Dr. Elsner PTB Fachbereich 8.42) empfohlen.

Die Daten zeigen dennoch, dass keine signifikanten Messabweichungen oberhalb von 10 ms und dabei keine Tendenzen zu kleineren oder größeren Werten nachweisbar sind. Es begründet sich damit die Annahme, dass die Fotozeitpunkte seitens der XV3 derart gespeichert werden, dass ein mathematisch korrekt gerundeter Wert zur Bildabstandszeit berechnet werden kann.

Eine Standardabweichung von 4,2 ms zeigt auf die hier analytisch immanente Ungenauigkeit, die sich aus der beschränkten Speicherung der Fotozeitpunkte auf eine hundertstel Sekunde ergibt.

Die Ergebnisse lassen keine im Messaufbau und Ablauf begründeten Messfehler darstellen, ebenso können keine Abweichungen bei den vom System Leivtec XV3 gespeicherten Fotozeitpunkten und schlussendlich in Bezug auf die berechenbare Bildabstandszeit identifiziert werden.


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7. Toleranzdiskussion im sachverständigen Prüfprozess

Die Versuche und Auswertungen haben gezeigt, dass der wahre Wert der Bildabstandszeit unterhalb und oberhalb der systemisch indirekt gespeicherten Bildabstandszeit liegen kann. Ursächlich ist dafür primär die begrenzte zeitliche Auflösung der gespeicherten Bildzeitstempel.
Es ist messtechnisch erforderlich, dies im Rahmen der sachverständigen Prüfung einer Einzelmessung bei der Toleranzbetrachtung zu berücksichtigen.

Im Bereich der elektronischen Messtechnik, insbesondere für digitale Messwertanzeigen, gilt, dass die letzte ausgegebene Stelle (Digit) als unsicher anzusehen ist. Aus den bekannten Aliasing-Effekten ergibt sich damit eine Mindesttoleranz von ±1 Digit.

Das bedeutet für die gespeicherten Fotozeitstempel eine jeweilige Toleranz von ±0,01s. Im ungünstigen Fall kann eine Ungenauigkeit von 0,02 s vorliegen, was aus formaler Sicht einer Größtfehlerabschätzung entspricht.

Unter Ansatz einer Mindestmessstrecke der Leivtec XV3 von 8 m ergibt sich bei Geschwindigkeiten bis 200 km/h eine minimale Messzeit von 0,144 s. Die maximale Messzeit ist mit Bezug auf eher geringe Geschwindigkeiten auf 1,5 s begrenzt.
Die maximal darstellbare Toleranz von 0,02 s fordert bei hohen Geschwindigkeiten einen Raum von maximal 13,8 %, womit im sachverständigen Prüfprozess allenfalls die Größenordnung des amtlich ausgegebenen Messwertes technisch plausibilisiert werden kann.

Bei den statistisch aussagefähigen empirischen Messungen sind demgegenüber keine Messabweichung oberhalb von ±0,01 s aufgetreten, womit anzusetzen ist (?), dass die Zeitstempel genauer ermittelt werden bzw. zumindest keine Addition der Fehlertoleranz stattfindet.

Unter Ansatz einer pauschalen Toleranz von ±0,01s besteht eine Nachweistoleranz von maximal 6,9 % für Geschwindigkeiten bis 200 km/h. Im durchschnittlichen Realfall wird bei Geschwindigkeiten im Bereich von 100 km/h gemessen, woraus sich die Zeittoleranz auf maximal 3,5 % im Nachweisprozess reduziert – ohne dabei die ebenfalls zu berücksichtigende Wegstreckentoleranz zu inkludieren

Eine weitere Herabsetzung der Toleranz auf beispielsweise ±0,005 s ist in Ansehung der Versuchsergebnisse nicht sinnvoll, da hierbei mit einer Restwahrscheinlichkeit von 21,5 % größere Toleranzen wirksam werden könnten und damit eine forensische Betrachtung zum Nachteil nicht ausgeschlossen werden kann.

Da die empirisch ermittelten Abweichungen zur Bildabstandszeit normalverteilt unter einer Standardabweichung von 4,2 ms aufgetreten sind, würde unter Ansatz der zweifachen Standardabweichung (±2σ) die tatsächliche Fehlergröße mit einer Wahrscheinlichkeit oberhalb von 95% berücksichtigt werden.

Aus hiesiger Sicht sollte damit im sachverständigen Prüfprozess eine pauschale Toleranz von mindestens ±0,01 s und höchstens ±0,02 s (Größtfehlerabschätzung) hinsichtlich der Bildabstandszeit berücksichtigt werden.

Das nachfolgende Diagramm weist den prozentualen Fehlereinfluss der pauschalen Toleranz zur Bildabstandszeit von ±0,01 s in Abhängigkeit von der Geschwindigkeit mit unterschiedlichen Längen der messwertrelevanten Wegstrecke aus.

Diagramm zur Prüffehlerentwicklung
Abbildung 11:

Es zeigt sich, dass ein Schwenken der Messanlage Leivtec XV3 gegenüber der Fahrtrichtung, was zu einer Verkürzung der maximal möglichen Wegstrecke zur Messerfassung führt, ebenfalls Auswirkungen auf die Nachweistoleranzen im forensischen Prüfprozess entfaltet.
Je stärker die Messanlage geschwenkt wird, desto kürzer ist die messrelevante Erfassung der Fahrzeuge und desto toleranter die nachträgliche sachverständige Prüfung.

Vor dem Hintergrund, dass jede Messung exakter ausfällt, wenn die Erfassungsdauer maximiert wird und, wie hier gezeigt, auch die sachverständige Prüftoleranz damit minimiert wird, sollte im Praxiseinsatz auf ein Schwenken der Messanlage weitgehend verzichtet werden.


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8. Fazit

Die umfangreichen Versuche und Messungen haben gezeigt, dass die systemisch dokumentierten Fotozeitpunkte relativ zueinander und damit hinsichtlich der Bildabstandszeit korrekt und messtechnisch nachvollziehbar in den Beweisdateien abgelegt werden.

Die Fotozeitpunkte bzw. die berechnete Bildabstandszeit kann damit im sachverständigen Prüfprozess eingeführt werden, ohne die Objektivität der Einzelprüfung herabzusetzen, wenn anhand der übrigen technischen Anknüpfungstatsachen eine elektronische Fehlfunktion und damit eine fehlerhafte Erfassung der Fotozeitpunkte hinreichend ausgeschlossen werden kann.

Aufgrund der zur Belichtungszeit beschnittenen Zeitangabe in den Beweisdateien sollte im Prüfprozess bei der Berechnung der Vergleichsgeschwindigkeit eine sachgerechte Toleranz von ±0,01 s angesetzt werden. Diese Toleranz entspricht dabei dem allgemeinen Grundsatz der Unsicherheit der letzten ausgewiesenen Stelle, insbesondere bei einer im Realfall unbekannten „wahren“ Bildabstandszeit.


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